Macht Tiertraining Sinn?

von | Jun 15, 2023 | Blog | 0 Kommentare

Wie komme ich auf diese Frage?
Ich hatte diese Woche wieder einen Fall in der Praxis,
der mich dazu bewegt,
ein paar sehr klare Worte dazu zu sagen bzw.
Tiertraining zu hinterfragen.
In diesem Fall waren Hund und Halterin durch die brutalen Methoden
eines Hundetrainers beide traumatisiert worden.

Beginnen wir mit der Würde des Tieres:

Auch die Würde eines Tieres ist unantastbar und es verdient
Respekt und Schutz für sein So-Sein.
Jedes Tier hat mit seiner Geburt in seinen Anlagen alles,
was es für das Überleben innerhalb seines Rudels bzw.
seiner Herde, das aus derselben Gattung besteht, benötigt.

Es lernt von den erwachsenen Tieren,
wie es seine Anlagen sinnvoll einsetzt.

Dazu gehört u.a. Nahrung zu finden, sich zu schützen
und auch Ressourcen zu verteidigen.

Nehmen wir ein Tier auf,
so ist dies vergleichbar, als wären wir als
Kinder von z.B. Wölfen aufgezogen worden.

Es herrschen andere Regeln.
Es gibt jedoch einen großen Unterschied.
Ein Mensch würde in einem Wolfsrudel psychisch gesünder heranwachsen,
als ein Hund in den meisten Menschenfamilien.

Warum ist das so?

Nun, Tiere haben kein Ego.
Sie haben sich keine Identität zulegen müssen,
mit der sie emotional überleben wollten und glücklicherweise auch konnten.

Ich will diese Identität nicht herabwürdigen, aber dazu einladen,
sie zu untersuchen und nach und nach abzulegen.

Bei Tieren gibt es klare Rangfolgen und klare Regeln.
Jeder weiß, wo sein Platz ist und es wird sich nicht verglichen.

Beschämungen, Missbrauch und psychische Gewalt
gibt es bei Tieren einfach nicht.

Ja, auch sie tragen Konflikte aus und verletzen sich,
aber dies dient immer der Sicherheit der Gruppe,
um sie nach außen zu schützen und die Art zu erhalten.

Wir jedoch führen die meisten Auseinandersetzungen miteinander,
um unsere erworbene Identität zu erhalten und
unserer darunter liegenden Angst vor z.B. Wertlosigkeit zu entkommen.

Der Konflikt zwischen unserer Identität und unserem Tier

Kommt nun ein Tier in unser Feld,
begegnet es zunächst meist unserer Identität.
Damit meine ich den Teil in uns, der in vielen Fällen
das Tier aufnehmen wollte.
Dabei kann es sich z. B. das bedürftige, einsame und verletzte Kind
in uns handeln.

Dieses Kind hat den heimlichen und unbewussten Wunsch an sein Tier,
dass es ihm endlich all das gibt, was es sich so lange ersehnt.

Was aber wird das Tier tun?

Es wird sich mit allen Mitteln wehren, flüchten oder sich fügen,
weil es nicht weggehen kann.

Stell Dir vor, jemand hat ständige Erwartungen an Dich,
die Du nicht erfüllen kannst oder willst und Du kannst
diesen Erwartungen nicht entfliehen.

Was glaubst Du, wie Du Dich fühlen wirst?
Wie wird Dein Körper darauf reagieren?
Was wirst Du versuchen, um damit irgendwie umgehen zu können?

Dein Tier wird auffällig und Du suchst Hilfe bei Trainern und Ärzten

Dies zeigen sie in Form von Aggression, Depression, Ängsten, Magen-Darm-Problemen, Allergien u.v.m..
Da uns die Zusammenhänge meist nicht bewusst sind,
suchen wir dann in der Hoffnung auf Hilfe Trainer und Ärzte auf.
Wir versuchen, das Problem beim Tier abzustellen.
Dass der Druck beim Tier damit noch weiter steigen muss,
erschließt sich von selbst, oder?

Kommen wir mit den Erziehungsmaßnahmen nicht weiter,
bitten wir den Trainer,
dem Hund Benimm beizubringen oder das Pferd zuzureiten,
oder dass er uns sein Geheimnis zeigen soll.

In dieser Phase wird dann härter durchgegriffen
und in letzter Konsequenz dem Tier Gewalt angetan.
Ein kräftiger Ruck an der Leine, ein Kick in die Seite, die Sporen oder die Peitsche sollen das Tier zu dem zwingen, was es tun oder lassen soll.
Wenn sich nicht spätestens an dieser Stelle unser Magen als Tierhalter zusammenzieht und wir merken,
dass hier ganz gewaltig etwas schief läuft,
ist die Beziehung zu unserem Tier extrem gefährdet,
weil wir sein Vertrauen zu uns zerstören.
Es sieht, dass wir daneben stehen und ihm in seiner Not nicht helfen.

Wenden wir solche Methoden an, oder heißen sie für gut,
dann sind dies nicht selten genau die Erziehungsmaßnahmen,
die wir selbst erleben mussten.

Stellen wir uns dann nicht schützend vor unser Tier und unterbinden sofort Maßnahmen, wie diese, erfahren unsere Tiere das,
was in uns auch heute noch so weh tut.

Nun gibt es Tierhalter, die sich nicht trauen oder es noch nicht schaffen,
sich für ihr Tier einzusetzen und es zu schützen.
Dies kann ein Hinweis darauf sein, wie sehr sie das, was sie mit ansehen müssen triggert und dass sie hilflos einfrieren.

Mein Impuls für Dich:

Solltest Du eine solche Situation mit Deinem Tier erlebt haben und die nächste Trainerstunde oder der nächste Arztbesuch,
bei dem Dein Tier Dich nicht als sicheren Begleiter
an seiner Seite wissen kann, steht bevor,
dann hol Dir Verstärkung!

Frag jemanden, ob er mit Dir geht oder,
wenn es sich noch besser anfühlt, lass jemanden den Termin absagen.

Weder ein Trainer noch ein Arzt hat das Recht,
Deinem Tier Leid zuzufügen.

Zudem lernt niemand etwas Neues, wenn er Angst hat.
Auch Tiere nicht.

Was antrainiert wird, ist lediglich ein Meideverhalten
und ich glaube nicht, dass Du möchtest,
dass Dein Tier Angst vor Dir hat.

Sag NEIN und stehe für Dein Tier ein!

Wenn Du das Gefühl hast, dass das, was mit Deinem Tier gemacht werden ’sollte‘, ihm schaden wird, dann darfst Du NEIN sagen.

Das muss der andere nicht verstehen und wird er wahrscheinlich auch nicht, weil ihm selbst die Sensibilität abhandengekommen ist, ansonsten wäre er zu leidvollen Handlungen gar nicht erst fähig.

Unsere Tiere verlassen sich auf uns, daher sollten wir sie nicht verlassen – auch nicht emotional.

Sind wir noch nicht in der Lage, uns für sie ins Feuer zu stellen,
dann braucht es bei uns noch Nachsorge,
damit sich die inneren Kinder wieder sicher fühlen und nachreifen können.

Ist dies gegeben, sind wir in der Lage, jederzeit einzugreifen,
wenn jemand unsere oder die Grenzen unserer Liebsten zu überschreiten.

Macht Tiertraining nun Sinn?

Es gibt Tiere, die lieben es, Neues zu lernen und es gibt Tiere,
die sind eher autark und wollen ihr eigenes Ding machen.

Für sie wäre ein Training ein Angriff auf ihre Würde.
Nun leben sie aber mit uns in einer Welt,
in der wir als die Verantwortlichen dafür sorgen müssen,
dass sie mit ihrem Verhalten weder sich noch andere
in Gefahr bringen können.

Wenn ich meinem Hund die Möglichkeit des Freilaufs geben möchte,
müssen wir die Übereinkunft treffen, dass er sofort zu mir kommt,
wenn ich ihn rufe.

Dies aber geht ohne Gewalt. Jede Übereinkunft können wir mit Freude und von mir aus auch mit Leckerchen untermauern.
Meine Hunde aber müssen weder ’sitz‘, noch ‚platz‘ oder ‚Fuß‘ kennen
oder ausüben.

Unsere tiefe Bindung ist der Grund,
warum sie sich in meiner Nähe aufhalten möchten.

Und unsere Bereitschaft, die Sprache des anderen zu lernen,
ist der Grund, warum sie reagieren, wenn ich sie um etwas bitte.
Meistens jedenfalls. 😉

Investiere in die Bindung zu Deinem Tier

Wenn Du ein erfülltes Miteinander mit Deinem Tier erleben möchtest,
dann investiere in die Bindung,
indem Du Dich von Deinem Herzen leiten lässt.
Dein Tier wird dies spüren und mit Dir gehen wollen.

Lasst uns also den Mut haben, alte Muster zu hinterfragen und neue Wege zu gehen, die das Wohl unserer tierischen Begleiter in den Mittelpunkt stellen. Denn nur durch Respekt, Verständnis und Liebe können wir eine Welt schaffen, in der Mensch und Tier harmonisch zusammenleben.

Welche Erfahrungen hast Du mit Tiertraining gemacht? Wie sieht Du es? Hinterlasse mir gerne einen Kommentar.

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